By Rayk Wieland
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Rückschau: Waffenhandel | Das globale Geschäft mit dem Tod
Wie mies das Geschäft mit den Waffen ist, konnte man im letzten Jahr in Libyen sehen: Seit 2003 hat der Westen Diktator Gaddafi Waffen im Wert von hunderten Millionen Dollar verkauft. Genau gegen diese musste die NATO dann ihr eigenes Arsenal zum Einsatz bringen. Vom Standpunkt der Branche eine Win-Win-Situation – mit 90.000 Opfern. Der Journalist Andrew Feinstein hat mit Waffenhändlern gesprochen und sich mit Informanten an den Kriegsschauplätzen dieser Welt getroffen. Das Ergebnis seiner Recherche hat er jetzt in einem Buch veröffentlicht.
Waffen als Ware – die Abgründe eines bigotten Systems
Es war ein spektakulärer Fang, als 2008 in Thailand der russische Waffenhändler Viktor Bout festgenommen wurde, Genannt “Händler des Todes”, ist er eine der zwielichtigsten Gestalten des internationalen Waffenhandels. Nach langem Hin und Her wurde er an die USA ausgeliefert und im April dieses Jahres zu 25 Jahren Haft verurteilt. Ein Sieg der Gerechtigkeit? Oder pure Heuchelei? Der Südafrikanische Journalist Andrew Feinstein schreibt in seinem Buch “Waffenhandel – das globale Geschäft mit dem Tod” über die ganze Bigotterie des Systems: “Der größte Waffenhändler unserer Tage ist Präsident Obama, denn die USA verkaufen und kaufen fast so viele Waffen wie der Rest der Welt. Oft wird legaler und illegaler Waffenhandel unterschieden – obwohl alles miteinander verquickt ist. Die sogenannten illegalen Waffenhändler, wie zum Beispiel der Russe Viktor Bout, werden von unseren Regierungen oder Waffenkonzernen bezahlt, damit sie wiederum ihnen helfen, Waffen in bestimmte Gebiete zu liefern. So viele Industrien, die als gesundheitsgefährdend gelten, die Tabakindustrie oder auch die Alkoholindustrie, unterliegen viel strengeren Richtlinien. Der Waffenhandel ist weniger reguliert als der Bananenhandel!”
Ein makabres Geschäft
Es sind Menschen, die Menschen umbringen, nicht Waffen – lautet die Lieblingsausrede aller Waffenhändler weltweit. Sie ist ebenso zynisch wie wahr. Aber es sind Waffen, die das Morden unendlich vervielfachen, die Kriege verlängern. Beim Völkermord in Ruanda 1994 wurde rund eine Million Tutsi mit Macheten und Knüppeln bestialisch getötet. Ohne umfangreiche Waffenlieferungen im Vorfeld hätte es nicht dazu kommen können. In seinem Buch beschreibt Feinstein minutiös, über welche Kanäle Waffen an ihr Ziel gelangen und wie tief die Regierungen in diesen Handel verstrickt sind: “Wenn wir an Ruanda denken, an den Genozid, denken wir zunächst an Macheten, an Tausende von Menschen, die mit Macheten umgebracht wurden. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Konventionelle Waffen, leichte Gewehre und Handfeuerwaffen wurden massiv eingesetzt, um überhaupt erst die Bedingungen dafür zu schaffen. Die französische Regierung unterstützte das ruandische Regime, in den drei Jahren vor dem Völkermord mehr Geld für Waffen auszugeben, als in zehn Jahren davor.”
Schmiergelder sichern Milliardendeals
In seinem Buch “Waffenhandel – Das globale Geschäft mit dem Tod” wirft Feinstein einen scharfen Blick auf die dunkelste Seite der Welt, eine Welt aus Korruption und Milliardenbusiness. Feinstein, Südafrikaner, war Abgeordneter des ANC, als er Mitte der 1990er-Jahre auf seltsame Finanzströme stieß, die er nicht verstand. Rüstungsaufträge, Waffenlieferungen, gigantische Provisionen, die von der Regierung des ANC verschwiegen und am Parlament vorbei beschlossen wurden. Andrew Feinstein begann, solche “Unregelmäßigkeiten” aufzuarbeiten: “Ich habe mich in die Materie eingearbeitet und festgestellt, dass bei diesem Deal 300 Millionen Dollar an Schmiergeldern geflossen sind – an hohe Politiker, Militärs und auch an meine eigene Partei, den ANC. Damals waren ungefähr sechs Millionen Südafrikaner HIV-positiv, hatten also AIDS, und Präsident Tabor Mbeki behauptete jetzt, dass diese Menschen nicht medizinisch versorgt werden konnten, weil nicht genug Geld da war. Aber zehn Milliarden Dollar für Waffen – die hatte er.”
Libyenkrieg ohne deutsche Beteiligung?
Feinstein ließ das keine Ruhe. Viele der Geschäfte laufen naturgemäß geheim, und so kontaktierte er die, die es wissen mussten: die Waffenhändler. Keine ganz ungefährliche Recherche, wie ihm bewusst wurde. “Auf dem Flug nach Jordanien dachte ich einmal: Was, wenn das eine Falle ist? Ich habe mit dem Concierge verabredet, dass ich jede halbe Stunde eine SMS schicke, wenn alles okay ist. Und dass er, wenn er nichts von mir hört, unbedingt jemanden zu mir schicken soll.”
Transparenz schaffen – aber wie?
Deutschland, drittgrößter Waffenexporteur der Welt, darf nach deutschem Gesetz nicht in Krisen- und Kriegsgebiete liefern. Im libyschen Bürgerkrieg aber sah man nagelneue “Heckler & Koch”-Sturmgewehre – sowohl auf Seiten der Regierungstruppen, als auch auf der der Opposition. Zum Einsatz kamen auch Mercedes Spezial-Fahrzeuge zum Panzertransport, mit deren Hilfe Gaddafi die Zivilbevölkerung zusammenschießen ließ. Deutschland hat sich an diesem Krieg nicht beteiligt, aber daran verdient. Bleibt die Frage, wie sich die fatalen Folgen des Waffenhandels vermeiden lassen. Andrew Feinsteins Antwort klingt einfach: “Zunächst wäre wichtig zu klären, wem wir Waffen verkaufen. Sollen wir, mithilfe von enormen Schmiergeldern, Waffen für Hunderte Millionen Dollar an politische Führer verkaufen, die nicht die geringste Unterstützung ihrer Bevölkerung haben? Eine gewisse deutsche Firma soll für einen einzigen Waffenhandel Schmiergelder in Höhe von 336 Millionen Euro an Gaddafi gezahlt haben. Das sollte komplett illegal sein.”
Deutschland drittgrößter Waffenexporteur
Feinsteins Geschichte des internationalen Waffenhandels ist ein Krimi, und die Politik ist das Verbrechen. Einer der Hauptumschlagplätze für Waffen ist Saudi-Arabien, wo die Erlöse aus dem Ölgeschäft gigantische Rüstungsvorhaben finanzieren. Deutsche Regierungen lieferten gern in das Land, dem alle Menschenrechtsorganisationen der Welt massive Menschrechtsverletzungen nachweisen. Die Waffen braucht das saudische Regime im Kampf gegen die Demokratiebewegungen in der Region – wie in diesem Frühjahr in Bahrain. Dagegen kann man nichts tun, heißt von Seiten der Politik. Andrew Feinstein widerspricht: “Ganz normale Steuerzahler und Wähler müssen sich fragen und in den Medien darüber diskutieren, ob sie diese Industrie so wollen, wie sie derzeit funktioniert – in Deutschland, in der EU, überall auf der Welt. Oder sollten wir sie nicht endlich unter der strengen Kontrolle der Öffentlichkeit regulieren wie alle anderen Industrien, die uns gefährlich werden können? So dass wir wissen, was mit unserem Geld gemacht wird und in unserem Namen.” Einen “dunklen Schatten” der Weltwirtschaft nennt Feinstein den Waffenhandel. Das Buch ist die erste Geschichte dieses mörderischen Geschäfts im 21. Jahrhundert. Seine schlechte Nachricht: Die Branche boomt und Deutschland spielt mit – als aktuell drittgrößtee Waffenexporteur der Welt.